OZ | Donnerstag, 05. April 2007  |  Kultur

Der Clown kann noch lachen


Die Rostocker Galerie Art Fuhrmann zeigt Inge Jastrams harte Striche und weiche Farben

Rostock ( OZ) Der Clown ist alt geworden. Er trägt noch seine rote Nase, aber unter der Schminke ist sein von Falten durchzogenes Gesicht zu sehen. Er lächelt halb belustigt, halb resigniert, sein Blick aber ist offen und ein wenig vorwurfsvoll auf den Betrachter gerichtet. Im Hintergrund ist das ewig junge und hübsche Mädchen mit sich selber beschäftigt, und die anderen Clown-Kollegen sind weit weg, man sieht nur noch ihre Masken. Vielleicht kommt daher die Resignation.

Das Blatt von Inge Jastram trägt keinen Titel. Neben dem Signum der Künstlerin ist als Jahr „2007“ verzeichnet. Es gehört zu den aktuellsten Arbeiten, die seit gestern in der Galerie Art Fuhrmann im Fischereihafen in Rostock-Marienehe zu sehen sind. „Malerei, Grafik“ lautet der schlichte Titel, den die Galeristen Florian und Marcus Fuhrmann der Schau gaben, gezeigt wird nicht weniger als das breite Spektrum des Werkes Inge Jastrams aus den vergangenen Jahrzehnten. „Ich habe mir erlaubt zu zeigen, was ich alles versucht habe. Ich liebe die Figur und das Porträt, habe aber auch ganz andere Formen versucht, zum Beispiel Fantasiebilder“, erzählt die Künstlerin.

Das Blatt mit dem traurigen Clown gehört in eine Serie aus Bildern in Mischtechnik, die die strengen Formen Inge Jastrams durch üppige Farbgebung auflösen und einen fast optimistisch zu nennenden Ton anstimmen – immerhin kann der Clown noch lächeln. Daneben zeigt die Ausstellung Werke Inge Jastrams, die durch den typisch harten und klaren Strich der Künstlerin dominiert werden. Die Radierung ist die bevorzugte Technik Inge Jastrams, die die vielen traurigen Clowns und geschundenen Frauen erst so richtig in Szene setzt: Unnachgiebig, aber liebevoll, unprätentiös und schonungslos.

Über Jahre hinweg beschäftigt sich Inge Jastram nicht nur mit bestimmten Themen, sondern sie entfaltet parallel dazu auch bestimmte Techniken. Neben Radierungen finden sich Aquarelle und Zeichnungen. Am überraschendsten sind vielleicht die kleinteilig gestalteten Mischtechnik-Blätter aus den frühen 90er-Jahren, in denen sich zwischen und unter Farbwolken Geschichten mit winzigen Menschlein abspielen.

Als heiteres Pendant dazu mag das Blatt „Nebenan“ von 2006 gelten: Ein aufgeschnittenes Hochhaus, in dessen Wohnungen sich von der Zeugung bis zum Tod buchstäblich alles abspielt. Es ist dieser Hang zum Ironischen, der die vermeintlich schweren und düsteren Grafiken immer wieder aufbricht und konterkariert. Hinter den traurigen Gesichtern und gedemütigten Leibern lauert ein latenter Humor, der den Clown bei aller Trauer dann doch ein wenig lächeln lässt.

Besonders die großformatigen Arbeiten Inge Jastrams ziehen die Blicke auf sich. Mehrteilige Radierungen in extremen Hochformaten sind das, die große Szenerien aufblättern und gleichzeitig zerstückeln. Das gilt für die ältere Arbeit „Zirkus“ aus dem Jahr 2001, das gilt vor allem aber für den großen Vierteiler „Im Café“ von 2006. Neben der fertigen Arbeit mit ihren klaren Konturen hängt der spielerische Entwurf für die Radierung, bereits im gleichen Format, aber virtuoser in den Linien und flüchtiger in der Darstellung, und beide Stadien dieser Bildwerdung könnten als eigenständige Kunstwerke betrachtet werden.

Zu sehen sind in der Schau neben wunderbar zarten Zeichnungen auch Illustrationen der Künstlerin, etwa zu Texten Klaus Manns. Tatsächlich studierte sie bei dem großen Illustrator Werner Klemke an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee. Inge Jastram wurde 1934 in Naumburg geboren. Nach Schule und Schneiderlehre studierte sie von 1952 bis 1957. 1958 heiratete sie die den Bildhauer Jo Jastram. Inge Jastrams Werk enthält neben Malerei, Grafik, Buchillustrationen auch „Kunst am Bau“. Seit 1982 wohnt sie mit Jo Jastram in Kneese bei Rostock.

Galerie Art Fuhrmann, geöffnet: mo bis frei 10 bis 18 Uhr, sa 11 bis 13 Uhr

M. SCHÜMANN

Inge Jastram


Das Blatt von Inge Jastram trägt keinen Titel, stammt aus dem Jahr 2007, und ist in Mischtechnik gefertigt.

Fotos: Häntzschel